Leistungen und Herausforderungen der Wald-Holz-Wertschöpfungskette standen im Mittelpunkt einer Pressefahrt des Agrarjournalistenverbands (VAÖ) nach Niederösterreich. Klimaschutz bzw. -anpassung, EU-Politik samt Bürokratielawine und geforderten Außer-Nutzung-Stellungen wurden dabei ebenso erörtert wie die auseinanderklaffende Preis-Kosten-Schere. Besichtigt wurden ein Laubholz-Sägewerk von Wibeba in Wieselburg und zwei mitten im Umbruch befindliche Waldstandorte der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) samt Saatgutaufbereitungsanlage im Waldviertel. Doch auch die Kleinwaldbesitzer bzw. Waldverbände waren vertreten.
Eine Herausforderung, welche die ÖBf genauso wie die Privatwaldbesitzer fordert, ist die Klimakrise samt Schäden. Neben dem aktiven Kampf gegen den Klimawandel, bei dem der Wald mit seinem nachwachsenden Rohstoff Holz einen zentralen Verbündeten darstellt, müssen die Baumbestände auch aktiv klimafit gemacht werden. "Dabei ist es wichtig, sowohl auf Bewährtes zu setzen, als auch alte Gewohnheiten zu überwinden", betonte ÖBf-Vorstandssprecher Georg Schöppl, der das Bundesforste-Jahrhundertprojekt "Wald der Zukunft" beleuchtete.
"Ich mache niemandem einen Vorwurf, der vor 50, 60 Jahren gesagt hat: 'Fichte, Fichte, Fichte.' Zum damaligen Zeitpunkt war das die richtige Entscheidung, heute wäre sie das nicht mehr." So war es nach dem zweiten Weltkrieg und massiven Holzausfuhren nach Russland notwendig, rasch aufzuforsten und Holz zu gewinnen. Die damals besonders gut geeignete Baumart war "der Brotbaum Fichte", wie der Waldverbands-Geschäftsführer und LKÖ-Forstabteilungsleiter Martin Höbarth ergänzte.
"Heute müssen wir auf Vielfalt und Innovationen setzen", unterstrich Schöppl, wie auch im ÖBf-Dauerwaldmodell am Ostrong im ÖBf-Betrieb Waldviertel-Voralpen gezeigt wurde. Um das Risiko durch den Klimawandel zu minimieren, wird vor allem "an zwei Schrauben gedreht": mehrere Baumarten und unterschiedliche Strukturen. Auch werden nicht mehr 800 Fm am Hektar belassen, sondern nur 400 bis 500 Fm, um mehr Licht auf den Boden zu bringen und Verjüngungen zu ermöglichen. Da es sowohl Lichtarten wie die Eiche, aber auch Schattenarten wie die Tanne gibt, wird ein gleichmäßiges Lichtregime vermieden. Und da gerade die klimafitten Tannen gerne gefressen werden, braucht es ein gut abgestimmtes Wald-Wild-Management, wie der Leiter des ÖBf-Betriebs Waldviertel-Voralpen, Bernhard Funcke, berichtete.
Klimafitte Arten werden zudem "aktiv herausgepflegt", was bedeutet, dass empfindliche Baumarten wie Fichten weggeschnitten und trockenheitsresistentere wie Tannen, Eichen oder Douglasien stehen gelassen werden und mehr Möglichkeit zum Wachsen bekommen. Auf einem anderen besichtigten Standort, einem einst borkenkäfergeschädigten Fichtenreinbestand, würde die Naturverjüngung nicht funktionieren, da wieder nur Fichten hochkämen. "Grundsätzlich ist die Naturverjüngung besser, wo es nur geht. Wo es eben nicht geht, muss etwas gesetzt werden", erklärte ÖBf-Betriebsleiter-Stellvertreter Marco Lassnig.
Zu diesem Zweck haben die ÖBf in Arndorf eine Saatgutaufbereitungsanlage, auch Klenge genannt, weil die Zapfen beim Öffnen einen "Klang" erzeugen. Dort werden Samen von rund 25 verschiedenen Baumarten gesammelt, aufbereitet und gelagert, was eine hohe Handwerkskunst und viel Knowhow erfordert.
Während sich kleine Samen von Pionierarten lange einfrieren und lagern lassen, müssen große Samen wie Eicheln möglichst früh verschult werden. "Wir versuchen, bei der Einbringung natürliche Prozesse zu nützen, wie etwa den Eichelhäher, der mit Sonnenblumensamen angefüttert, dann auf Eicheln umgestellt wird, diese versteckt, genau in die richtige Tiefe einbringt und oft nicht wiederfindet", berichtete Lassnig vor einer eigens eingerichteten "Eichelhäher-Plattform".
"Strukturreiche Mischbestände sind dann resilienter und auch ökologisch wertvoller. Dazu braucht es eine nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung“, betonte auch ÖBf-Vorstand Andreas Gruber. "Doch genau das ist Dilemma, in dem wir stecken, denn das Ideal der EU-Kommission wären lückenlose, geschlossene Bestände", gab Höbarth zu bedenken. "Doch diese sind eben aus verschiedenen Gründen nicht gut. Das meiste CO2 binden Bäume zudem im Alter von 40 bis 60 Jahren und nicht die überalterten Bestände. Es wäre wichtig, dass die EU-Politik wieder mehr auf die Fachexperten hört, die den Wald in allen Facetten kennen."
Sowohl Waldverbände, Landwirtschaftskammern als auch die Bundesforste setzen sich daher für eine multifunktionale Waldwirtschaft im Sinne von Ökologie und Ökonomie ein. Aktive Bewirtschaftung mit Klimaanpassung statt massiver Außer-Nutzung-Stellung lautet das Credo. 1% weniger Holzeinschlag in Europa würde Studien zufolge außerdem zu einem Verlust von 162.000 Arbeitsplätzen führen. Auch dürften die rund 140.000 Waldbäuerinnen und Waldbauern und somit Österreichs kleinstrukturierte Waldwirtschaft nicht durch immer mehr Bürokratie demotiviert werden, so der LKÖ-Abteilungsleiter.
Sorgen bereitet sowohl den Waldbauern, als auch der Sägeindustrie die immer stärker auseinanderklaffende Preis-Kosten-Schere, wie auch Wolfgang Sunk von Wibeba Holz, einem der marktführenden Laubholzsägewerke Österreichs, betonte. Mittlerweile werden zwar 39 Länder der Welt mit hochwertigen Produkten beliefert, doch 75% des Umsatzes werden außerhalb Europas gemacht, vor allem wegen Personal-, Transport- und anderen Kosten in der EU.
"Wir bräuchten wieder mehr Wertschöpfung in Mitteleuropa. Ich würde mir wünschen, den Lieferanten höhere Preise zahlen zu können", so Sunk. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, entwickelt sich Wibeba immer mehr in Richtung Energieanbieter weiter, um Brauerei und Stadt zu versorgen. Auch die Bundesforste setzen längst nicht mehr nur auf Holz, sondern ebenso auf Erneuerbare Energie sowie Immobilienmanagement, Dienstleistungen und Bewirtschaftung von privaten Waldflächen.
Tablett heute so wichtig wie die Motorsäge
Bei der Bewirtschaftung verwenden die ÖBf übrigens weitere Innovationen. "Digitalisierung ist ein Zukunftsschlüssel. Für uns ist das Tablett heute so wichtig wie die Motorsäge. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die wichtigen Daten immer online dabei und der Arbeitsprozess ist bei uns im Wald durchdigitalisiert - auch dank einer sehr guten Datenqualität", berichtete Schöppl. So wurde etwa auch ein eigener Technik-Experte eingestellt, der es mit Hilfe von Hobbydrohnen und Softwaren-Anpassungen geschafft hat, Befliegungsergebnisse ins Geografische Informations-System einzuspeisen und nutzbar zu machen - zu geringeren Kosten.
Schöppl berichtete auch von einem Versuch mit Saatgutdrohnen im Zillertal. Und Funcke hob stolz hervor, dass es durch Übermittlung von GPS-Punkten an den Ernter mittlerweile gelingt, borkenkäferbefallenes Holz innerhalb von einer Woche aus dem Wald zu bringen. Immer wichtiger wird laut Schöppl auch die Kombination von Künstlicher Intelligenz mit Bilddaten, wie z.B. die KI-gestützte Waldinventur.
Mut für die Zukunft macht auch der Verein "waldsetzen.jetzt", von dem Waldbäuerin Viktoria Hutter begeistert erzählte. Dabei ist es nicht nur bereits gelungen, in einer massiv geschädigten Region 90.000 Bäume zu setzen, sondern auch rund 1.000 "waldfremde" Personen für die Forstwirtschaft zu begeistern.