Großteil der ukrainischen Ernte dürfte heuer ausfallen

Eigentlich wären die Vorzeichen für die Wintersaat sowohl
in der Ukraine als auch in Russland für diese Saison gut gewesen, schreibt die UN-Lebensmittel- und Agrarorganisation
FAO in ihrer jüngsten “Information Note“. Doch nun deute alles darauf hin, dass als Folge des Krieges 20 bis 30%
der bebauten Flächen nicht abgeerntet werden könnten und
die Erträge auf den übrigen
Flächen beeinträchtigt seien.
Überdies gebe es beträchtliche
Unsicherheiten, ob die Landwirte den Anbau im Frühjahr
schafften. Es fehlt an Arbeitskräften in der Landwirtschaft
und an Betriebsmitteln, der Zugang zu den Feldern ist schwierig und die Logistik schwer beeinträchtigt. Erste Schätzungen sprechen von einem Produktionspotenzial, das durch
den Krieg auf 30 bis 50%
des Vorjahres reduziert werde.
Das Wüten der russischen
Truppen könnte auch in anderen Bereichen schwere Folgen
haben: Tierkrankheiten wie
etwa die Afrikanische Schweinepest könnten sich ungehindert im Land ausbreiten - was
unmittelbare Folgen für die
Nachbarländer haben könnte.
Hilfe gegen die Not
Selbst wenn die kriegerischen Handlungen bald beendet werden sollten, ist die FAO
in großer Sorge, dass das Leben und die Lebensgrundlagen
der Bevölkerung schwer beeinträchtigt werden. Kurzfristig ist
das Problem - nach einer sehr
guten Ernte 2021 - weniger die
Menge an Nahrungsmitteln,
sondern der Zugang zu ihnen.
Laut FAO wird in 40%
von 19 untersuchten ukrainischen Regionen eine Knappheit von Nahrungsmitteln erwartet. Vielerorts in Europa
versucht man, den Landwirten in der Ukraine zu helfen.
So haben etwa das Land Niederösterreich, die Raiffeisen-
Holding NÖ-Wien, die RWA,
die steirischen Lagerhaus-Genossenschaften, die NÖ Saatbaugenossenschaft (NÖS) und
Steirersaat eine Initiative für
die Ukraine gestartet und insgesamt 154 Tonnen Saatkartoffeln im Gesamtwert von 50.000
Euro gespendet. Die Wahl fiel
bewusst auf Kartoffeln, da sie
unmittelbar verwendet werden
können.
Turbulente Märkte
Die Zerstörung von Lagerhäusern und Häfen sowie die verhängten Ausfuhrsperren lassen
nun auch die Exporte endgültig zusammenbrechen. Nach
dem Entladen der letzten Schiffe versiegen nun die Getreide- und Ölsaatenlieferungen aus
der Ukraine. Unmittelbar bekommen das Tierzüchter durch
steigende Futtermittelpreise
zu spüren. Mittelfristig werden
trotz aller Bemühungen um
Ersatz größere Mengen fehlen.
Die internationalen Getreidemärkte sind weiterhin in großer
Unruhe, die Preise schwanken
auf hohem Niveau stark. Die
EU reagiert auf das Geschehen
unter anderem durch die Freigabe von 4 Mio. ha Ackerfläche zusätzlich für
die Lebensmittelproduktion,
die bisher im Namen des Umweltschutzes stillgelegt waren.
“Alleine in Österreich können
so rund 27.000 t Weizen
angebaut werden“, rechnete Simone Schmiedtbauer, ÖVP-Agrarsprecherin im Europaparlament, vor.
Konsequenzen für den Raiffeisen-Sektor
Der Krieg in der Ukraine sowie die Sanktionen gegen den
Aggressor Russland haben auch
für immer mehr Unternehmen
ernste Folgen. Die Raiffeisen
Bank International (RBI) prüft
nun “alle Optionen“ für ihr
Geschäft in Russland - inklusive Komplettausstieg. Dies hätte auch für die Raiffeisen-Landesbanken, die 59% der
Anteile halten und Dividenden
von der RBI beziehen, spürbare
Konsequenzen - Russland steuerte zuletzt fast ein Drittel des
Gewinns der RBI-Gruppe bei.
Der Frucht-, Zucker- und Stärkekonzern Agrana, der mehrere Fruchtzubereitungswerke in
Russland und der Ukraine betreibt, erwartet einen Abschreibungsbedarf von 65 bis 85 Mio. Euro.